Home-Office und Wanderungseffekte

Es wird von einem Grundszenario ausgegangen, das einerseits auf die Bevölkerungsprognose des StaLa zurückgreift. Gleichzeitig wird aber darauf verwiesen, dass dieses Grundszenario wegen des Stützzeitraums 2017 – 2020, das in die Zukunft fortgeschrieben wird, eine eingeschränkte Aussagekraft hat. Denn in diesem Zeitraum ist in der Region Stuttgart ein rückläufiges Wanderungssaldo festzustellen.
Das negative Wanderungssaldo führt EMPIRICA auf den angespannten Wohnungsmarkt in der Region Stuttgart zurück. Dass dem so sei, wird wiederum daraus abgeleitet, dass junge Familien verstärkt in den 2. Ring abwandern aber ihren Arbeitsplatz in Stuttgart behalten. Der Wegzug wird allein auf die angespannte Wohnungsmarktsituation in der Region Stuttgart zurückgeführt.  Der 2. Ring erfasst nach EMPIRICA neben den Landkreisen Schwäbisch Hall, Ostalbkreis, Heidenheim, Alb-Donau-Kreis, Freudenstadt, Calw, Pforzheim, Enzkreis, Heilbronn, Hohlohkreis auch Reutlingen, Tübingen und Ulm. Er ist sehr weit gefasst und beinhaltet auch wirtschaftsstarke Regionen.

Dass die Bevölkerungsentwicklung in der Region Stuttgart im Jahr 2020 rückläufig ist (-0,2%) hat aber multifaktorielle Gründe. Der sprunghafte Anstieg von Wegzügen 2020 – 2021 ist im Kontext von Corona zu sehen. Homeoffice und einschränkende Pandemiebestimmungen hat die Menschen moti- viert, aus der Stadt ins Grüne zu ziehen. Da das Home-Office in vielen Berufssparten inzwischen etabliert ist und dieses Rad auch nicht mehr gänzlich zurückgedreht werden wird, ist der Umstand im „2. Ring“ zu leben und in der Region Stuttgart zu Arbeiten kein struktureller Nachteil mehr. Und schon gar nicht ein Indiz dafür, dass in der Region Stuttgart der Wohnraum besonders knapp ist – wenn überhaupt, dann dafür, dass er für Familien mit „normalen“ mittleren Gehältern unerschwinglich geworden ist, da der Kapitalmarktgetriebene Immobilienmarkt in der Niedrigzinsphase die Immobilienpreise in der Region Stuttgart durch die Decke haben gehen lassen.
Um den gleichwertigen Lebensraum sicherzustellen, ist es in Zeiten von verstärktem digitalem Arbei- ten heutzutage kein Nachteil, wenn in der Region Stuttgart Erwerbstätige ihren Lebensmittelpunkt im 2. Ring haben. Schließlich wird auch hier ein Rückgang der Erwerbstätigen vorausgesagt, so dass Zuziehende für die Gemeinden attraktiv sind. Bis 2040 sollte die digitale Infrastruktur (Glasfaser) so weit ausgebaut sein, dass die digitale Vernetzung der Arbeitsplätze auch im Nordschwarzwald und anderswo problemlos möglich ist. Die Digitalisierung trägt dazu bei, dass Deutschland seinem Staatsziel „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ näher kommt. Somit ist der Wanderungsdynamik aus der Region Stuttgart in den 2. Ring eine Win- Win-Situation. Entlastet die Nachfrage in der Region Stuttgart und kompensiert die abnehmende Bevölkerungszahl im 2. Ring, wo der freiwerdende Wohnraum wieder belegt wird.

Autorin: Dr. Heike Voelker