Natur und Klima / soziale Infrastruktur

Norbert Heumüller: Biodversität und Vogelschutz

Prof. Markus Weiler, Un Freiburg: Thema "Wasser"

Beitrag von Norbert Heumüller: Videomanuskript für Sitzung der Zufallsbürger am 20.1.24

Mein Name ist Norbert Heumüller. Ich lebe seit 40 in Herrenberg. Mein bürgerliches Engagement gilt dem Naturschutz und ich engagiere mich für den Erhalt und die Schaffung von Lebensräumen fürunsere einheimische Tier- und Pflanzenwelt. So habe ich selbst eine neue Streuobstwiese gepflanzt und den Naturgarten Hortus Herrenbergensis gegründet.

Das geplante Bauvorhaben Herrenberg-Süd mit der Wohnbebauung und dem Gewerbegebiet wird Ackerflächen, Streuobstwiesen und ein bei der Bevölkerung beliebtes Naherholungsgebiet im Süden von Herrenberg unwiederbringlich versiegeln und dadurch zerstören.

Die geplante Verbindungsstraße zwischen der Tübinger Straße und dem Wohngebiet Kreuzen / Längenholz wird die Grünzäsur im Gutleuthausgraben schneiden und zerstückeln. Der aktuelle Regionalplan Stuttgart weist unter Z125 diese Grünzäsur als Teil des landesweiten Biotopverbundes, als Fließgewässer, Wasserschutzgebiet, Freiraumvernetzung und zur siedlungsnahen Erholung aus.

Das Planungsgebiet von Herrenberg-Süd wird als „der landwirtschaftlichen Nutzung vorzubehaltende“ Fläche ausgewiesen. Dieses Gebiet wird laut Gutachten zukünftig von mehr als 3000 Fahrzeugen pro Tag gekreuzt werden. Dies konterkariert den ausgewiesenen Schutzzweck der Grünzäsur für Tier und Mensch.

Das gesamte Gebiet, das für die städtebauliche Planung vorgesehen ist, stelltlaut der artenschutzrechtlichen Prüfung durch HPG ein nachgewiesenes Habitat für 47 +1 geschützte und teilweise stark bedrohte Vogelarten wie den Bluthänfling und die Feldlerche dar. Es ist zusätzlich Lebensraum für zahlreiche im Bestand gefährdete Fledermausarten, Reptilien und Insekten, deren Lebensraum und Nahrungsgrundlage zerstört wird. Damit besteht ein teilweise erhebliches artenschutzrechtliches Konfliktpotential.

Laut NaturSchG Ba-Wür §33a ist es verboten einen Teil von Streuobstwiesen in Bauflächen umzuwandeln, wenn sie als Ruhe- oder Fortpflanzungstätte von besonders und streng geschützten Tierarten dienen. Die Streuobstwiese („Hinter dem Armenhaus) ist geschützt gemäß der gesetzlichen Definition, da die dortigen Obstbäume Hochstämme sind. Dort leben unter anderen der streng geschützte Wendehals sowie eine Anzahl von geschützten Fledermausarten.

Seit 2021 hat die STEG auf Einwände und rechtliche Bedenken des BUND nichtreagiert. Bereits während der Bauphase werden die Störungen für die Tier- und Pflanzenwelt stark sein und nach Fertigstellung von Herrenberg-Süd nochzunehmen – zum Beispiel durch Lärm, Verkehr und freilaufende Katzen.

Das geplante Wohn- und Gewerbegebiet hat negative Auswirkungen auf die lokale Artenvielfalt und bedroht durch das Heranwachsen an das Gutleuthaustal die dortige Tier- und Pflanzenwelt. Der Verlust der Artenvielfalt ist die gefährlichste weltweite Krise, während der Schutz der tropischen Regenwälder große Aufmerksamkeit erfährt, sterben bei uns Pflanzen und Tiere größtenteils unbemerkt aus. So sind schon über 80% der Biomasse der Insekten verschwunden und Jungvögel verhungern im Nest.

Es ist aus fachlicher Sicht anzuzweifeln, ob die Umweltauswirkungen wie von HPC angedacht ausgeglichen werden können. Die für die seltene Specht-Art Wendehals angedachten Ausgleichsmaßnahmen würden zum Beispiel das Umwandeln von Ackerflächen in Streuobstwiesen verlangen, aber frühestens in 40 Jahren Wirkung zeigen. Der Zeitraum bis zur Bildung von natürlichenBaumhöhlen oder bis zur Eignung der Bäume für Spechte zur Anlage von Bruthöhlen sehr lang, Nisthilfen bringen da kaum etwas. Die Pflege und ca. 10 Jahre nötige Bewässerung der Jungbäume ist Personalund kostenintensiv und stellt somit eine weitere finanzielle und kapazitiveBelastung der Stadt Herrenberg dar. Das Gelingen in Zeiten des Klimawandels ist zunehmend ungewiss, die globale Erwärmung sorgt für sich verändernde Niederschlagsmuster mit starker Tendenz hin zu mehr Sommertrockenheit.

Die Bebauung und Versiegelung von Flächen für Herrenberg Süd wird auch negative Auswirkungen auf das Klima Herrenbergs haben, eine Kaltluftschneise soll verdichtet verbaut, werden obwohl laut Gutachten breite Frischluftkorridore verlangt werden.

Der sorglose Umgang der Menschheit mit fruchtbarem Boden, neben Wasserdem wohl wichtigsten Rohstoff für das Überleben der Menschheit, muss ufhören. Wir können es uns nicht mehr leisten wertvollen Ackerboden zu versiegeln, der von den nächsten Generationen benötigt wird. Die Agrarlandschaft ist eine Kulturlandschaft und bietet neben uns Menschenunzähligen Tier- und Pflanzenarten eine Heimat und Nahrung.

Der NABU und BUND sprechen sich gegen die Versiegelung der landwirtschaftlichen Flächen, der Streuobstwiesen und der GrünzäsurGutleuthaustal aus. Die Versiegelung ist in Zeiten von globalen Abhängigkeiten, Klimawandel und Artensterben nicht mehr zeitgemäß, die Innenverdichtung in der Stadt auf ökologisch armen Flächen muss Vorrang gegenüber dem Neubau auf der grünen Wiese oder dem Acker eingeräumt werden. Sozialer Wohnungsbau muss in der Stadt erfolgen.

Gerne stehe ich zu weiteren Erläuterung zur Verfügung.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Norbert Heumüller
0151 40723854

Quellen:

  • HPC Gebietsentwicklung „Herrenberg-Süd“, Stadt Herrenberg, Anlage 4.6 zu DS 2023-026
  • Naturschutzgesetz BaWü: https://www.landesrecht-bw.de/bsbw/searchhttps://www.landesrecht-bw.de/bsbw/document/jlr-NatSchGBW2015V2P33a/part/S
  • BUND: Schreiben an STEG Stadtentwicklung GmbH vom 21.06.20221
  • König + Partner PartmbB – Anlage 4.5. zu DS 2023-026 – Darstellung zu Natur- und Umweltbelange
  • NABU – verschiedene Informationen über bedrohte und schützenwerte Arten – Pflanzen Tiere
  • Fachliteratur: u.a. Streuobstwiesen, Tiere und Pflanzen BaWü

Anmerkung zur Begründung: Herrenberg-Süd diene dem Klimaschutz

Die Stadtverwaltung führt aus, dass das Vorhaben Herrenberg Süd dem Klimaschutz diene.
Diese Behauptung soll aus einer größeren Flughöhe betrachtet werden, in dem die Klimaauswirkungen beim Neubau heruntergebrochen auf 100.000 Wohnungen analysiert werden.
Um dem Pariser Klimaschutzabkommen gerecht zu werden, müssen wir im Gebäudesektor jährlich 5 Mio. t CO2  einsparen. Die Herstellung der Baumaterialien werden dem Sektor Industrie zugeordnet, in dem jährlich 7 Mio. t CO2 einzusparen sind. Der Neubau von 100.000 Wohnungen bedeutet, dass 5 Mio. t CO2  emittiert werden. Berücksichtigt man neben dem Bau auch die Errichtung der damit einhergehenden Infrastruktur, dann werden 26 Mio. t CO2 freigesetzt. Der Ampel-Koalitionsvertrag sieht den jährlichen Neubau von 400.000 Wohnungen vor. In der Summe werden mit dieser Anforderung 99 Mio.t CO2 beim Jahresziel von 400.000 Wohnungen neuzubauen einmalig pro Jahr emittiert. Zum Vergleich: Der Betrieb der bestehenden 42 Mio. Wohnungen emittiert jährlich 90 Mio. t CO2.

Wir haben also das Jahresziel von den 90 Mio. t CO2 durch den Betrieb im Bestand 5 Mio. t CO2 einzusparen und erzeugen durch den Neubau von jährlich 400.000 Wohnungen pro Jahr jeweils einmalig 99 Mio. t CO2.

Frage: wie lässt sich dieser Umstand mit der Aussage „das Neubaugebiet Herrenberg Süd dient dem Klimaschutz“ vereinbaren?

Quelle: Fuhrhop, Daniel (2022 i.V.): Der unsichtbare Wohnraum. Wohnsuffizienz und das Beispiel „Wohnen für Hilfe“. Dissertation

Dr. Heike Voelker