Leserbriefe

Gäubote vom 1.3.2024: Herrenberg-Süd polarisiert

Herrenberg-Süd polarisiert,
das ist längst klar. So verwundert es auch nicht, dass es bei der letzten Gemeinderatssitzung hoch
herging. Herr Arndt berichtete über den Stand des vom Gemeinderat beschlossenen Verfahrens
Bürgerforum. Laut seiner Darstellung geht alles seinen geordneten Gang.
Die für die Akzeptanz des Verfahrens unabdingbare Transparenz lässt jedoch zu wünschen übrig.
Einige Regeln, die die Landesregierung für dieses informelle Verfahren vorsieht, wurden
vernachlässigt.
Frau Dr. Voelker spricht diese Punkte zu Recht an. So gab es zwar nach der ersten Sitzung der
Begleitgruppe noch ein Protokoll, nicht jedoch nach dem zweiten Treffen. Dieses war geprägt von
zahlreichen Kritikpunkten am Ablauf des Verfahrens. So wurde zum Beispiel moniert, dass den
Befürwortern des Baugebietes während der Treffen des Bürgerrates mehr Zeit eingeräumt wurde,
um mit „Impuls-Vorträgen“ die Zufallsbürger zu beeinflussen.
Die Kritiker dagegen waren auf dreiminütige Inputs beschränkt. Herr Arndt gibt zu, dass das
Verfahren der Meinungsbildung diene. Wenn nun der einen Seite jedoch deutlich mehr Raum
gegeben wird, ihre Sicht der Dinge darzulegen, als der anderen, dann ist das nicht ausgewogen.
Auch wenn Herr Arndt behauptet, dass es keine gesetzlichen Vorgaben zu Protokollen gebe, sagt
die Seite des Beteiligungsportals etwas ganz anderes: Zitat: „Begleitgruppen tagen in der Regel
nicht öffentlich, veröffentlichen aber ein Protokoll.“
Der Streit hätte vermieden werden können, hätte man sich an die Spielregeln der
Verwaltungsvorschrift (VwV) von 2014, als das Verfahren des Bürgerforums ins Leben gerufen
wurde, gehalten. Diese VwV sieht im Übrigen auch die Entsendung von ein bis zwei Mitgliedern
des Gemeinderates in die Begleitgruppe vor.
Hätte man das befolgt, wäre vermutlich der gesamte Gemeinderat besser informiert gewesen und
wäre mit Vorschuss-Vertrauen in die Durchführung des Verfahrens zurückhaltender umgegangen.
Bei einem Verfahren, das die Stadt 68000 Euro kostet, könnte man erwarten, dass die Spielregeln
eingehalten werden.
Dr. Wolfgang Zwick, Herrenberg

Gäubote 19.01.2024: Ein Kampf David gegen Goliath

Dialogisches Bürgerforum zu Herrenberg-Süd

Am Samstag startet die nächste Stufe im Bürgerbeteiligungsprozess zu Herrenberg-Süd. Die Teilnehmer des 34-köpfigen Bürgerrates sollen zu Beginn jeweils von der Befürworter- wie von der Kritikerseite sogenannte Inputs in Form von aufgezeichneten dreiminütigen Videos zu den Themen Verkehr, Bedarf, Natur- und Klimaschutz, Finanzen, Infrastruktur usw. als Basisinformation erhalten.

Und dabei knistert es nun erheblich im Getriebe der Beteiligungsdemokratie. Der Grund? Die Servicestelle der dialogischen Bürgerbeteiligung weigert sich, für einen Experten der Kritikerseite das Honorar zu bezahlen. Den Ehrenamtlichen der Begleitgruppe, die sich seit Tagen und Wochen mit der Aufbereitung ihrer Themen befassen, wird zugemutet, dass sie in der Kürze der Zeit zusätzlich zu ihren Themen auch noch das komplexe Gebiet der Bedarfe an Wohnbau- und Gewerbefläche präsentieren sollen. Dabei sieht die dialogische Bürgerbeteiligung die Einbeziehung von Experten explizit vor. Auf der Befürworterseite ist dies auch durch die Bank hinweg der Fall: allesamt Personen, die sich berufsmäßig mit den Themen befassen. Es sind Organe, die mit der Stadt als Berater in geschäftlicher Beziehung, wenn nicht gar in jahrelanger gegenseitiger Verflechtung stehen. Es ist ein Kampf David gegen Goliath.

Dem nach außen hin demokratisch auftretenden Verfahren wird hiermit ein Bärendienst erwiesen. Ist es doch lediglich ein fadenscheiniges Instrument, das Baugebiet auf der grünen Wiese „mit demokratischen Mitteln“ doch noch durchzusetzen. Dabei weist sowohl die Analyse der 51 „Gäubote“-Leserbriefe seit 2023 eine Ablehnungsquote von 92 Prozent auf. Auch die Auswertung der 90 Kommentare auf dem Online-Beteiligungsportal durch immerhin fast 4 000 Stimmen zeigt eine im Schnitt über die Themenfelder 75-prozentige Ablehnung des Vorhabens. Warum diese kostspielige Alibiveranstaltung anstelle einer klaren Entscheidung, sei es im Gemeinderat oder über einen Bürgerentscheid, favorisiert wurde, ist nicht nachzuvollziehen.

Dr. Wolfgang Zwick, Herrenberg